Was tun bei negativen Bewertungen im Internet?

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Positive Kundenbewertungen sind heutzutage ein wesentliches Entscheidungskriterium vieler Kunden vor einem Kauf oder Inanspruchnahme einer Dienstleistung. Die Rolle sozialer Netzwerke und Branchenportale bei der Meinungsbildung der Kunden über ein Unternehmen, ein Produkt oder eine bestimmte Dienstleistung ist nicht zu unterschätzen. Deswegen sollten Unternehmen darauf bedacht sein, möglichst viele positive Kundenbewertungen zu generieren. Umgekehrt kann bereits eine negative Kundenbewertung im Internet zu finanziellen Einbußen führen. Dies gilt nicht nur im Hinblick auf Bestandskunden, sondern umso mehr für die Gewinnung von Neukunden.
1. Rechtliche Bewertung von Äußerungen im Internet und sozialen Netzwerken
Das deutsche Recht unterscheidet Meinungsäußerungen und Tatsachenbehauptungen. Meinungsäußerungen und Werturteile sind grundsätzlich vom Grundrecht auf freie Meinungsäußerung in Art. 5 GG geschützt. Dies gilt ebenso für wahre Tatsachenbehauptungen, die dazu geeignet sind, zur Meinungsbildung beizutragen und einem Werturteil als Grundlage zu dienen. Unwahre Tatsachenbehauptungen unterfallen dagegen nicht dem grundrechtlichen Schutz.Die vom Grundgesetz geschützten Meinungsäußerungen, Werturteile und wahren Tatsachenbehauptungen gelten jedoch nicht unbeschränkt. Das Recht aus Art. 5 GG findet seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre. Bei negativen Bewertungen im Internet stehen sich typischerweise entgegengesetzte Rechtsposition gegenüber. Der von der negativen Bewertung Betroffene ist möglicherweise in seinem Persönlichkeitsrecht betroffen, während sich der Verfasser regelmäßig auf seine Meinungs -und Medienfreiheit beruft. Es ist daher stets in jedem Einzelfall zu prüfen, welche Interessen im Einzelfall stärker wiegen.
2. Generell unzulässige Äußerungen
Generell unzulässig und juristisch angreifbar sind Äußerungen, wenn sie, ohne sich in tatsächlicher Hinsicht mit der Sache auseinanderzusetzen, entweder eine Formalbeleidigung, eine unsachliche Schmähkritik oder ein Angriff auf die Menschenwürde darstellen. Aufgrund des fehlenden Sachbezug und der regelmäßig damit einhergehenden Ehrverletzung des Betroffenen findet eine Interessenabwägung nicht statt. Denn hier geht es regelmäßig in erster Linie darum, den Betroffenen zu diskreditieren, und nicht um die Bewertung einer Leistung.Anhand des nachfolgenden Beispiels aus der Rechtsprechung soll dargestellt werden, dass sich regelmäßig Meinungsäußerungen und Tatsachenbehauptungen vermischen.
„Super Service! Keine Reaktion, Drohung, Beleidigung und Erpressung! Da wir nicht bereit sind unsere Bewertung zu löschen müssen wir jetzt anderweitig bestellen!!! Unsere Bestellung bearbeitet … nicht! 07.09.18“
Die Äußerung „keine Reaktion“ stellte nach Ansicht des Gerichts eine wahre Tatsachenbehauptung dar. Der Verkäufer war weder per Telefon erreichbar noch erfolgten Rückrufe oder Reaktion auf mehrere E-Mails. Die Begriffe „Drohung“ und „Erpressung“ wurden als erlaubte Meinungsäußerung mit Tatsachenkern eingestuft, da ein Mitarbeiter der Händlerin bei der Käuferin angerufenen geäußert hatte, dass die sofortige Löschung der schlechten Bewertung erwartet und die Ware nur verschickt werde, wenn die Käuferin die Bewertung herausnehme. Bei der Äußerung „Beleidigung“ handelte es sich um eine zulässige Meinungsäußerung, weil der Händler die Käuferin in einem außergerichtlichen Schreiben als „bösartigen Menschen mit sehr fraglichen Schädigungsabsicht“, „unverschämt“ und „unerfreuliche Menschen“ bezeichnet hatte.Das Beispiel zeigt, dass die Gerichte auch im Rahmen von negativen Bewertungen bewerten müssen, ob einzelne Äußerungen Meinungsäußerungen, Meinungsäußerungen mit Tatsachenkern oder unwahre Tatsachenbehauptungen darstellen. Dies ist stets Frage des Einzelfalls, wie das weitere Beispiel aus der Rechtsprechung zeigt.
„Als Geschäftspartner ist absolute Vorsicht zu verwalten. Mies und hinterlistig. Versteckt sich hinter seinem Telefon. Mit dieser Firma Geschäfte zu machen rate ich ab.“
Weiter hieß es„Mieser und hinterlistiger Geschäftspartner, den man nicht vertrauen kann. Telefonisch nicht erreichbar. Hier rate ich dringend ab Geschäfte zu machen Äußerst bedenkliches Geschäftsgebaren.“und schließlich„Diese Firma kann ich nicht empfehlen.“Das zuständige Landgericht stufte die Äußerungen im Rahmen seiner Bewertung als Meinungsäußerungen dar. Die Äußerungen ließen sich nicht anhand der Kriterien wahr oder unwahr messen. Auch liege keine unsachliche Schmähkritik vor. Allenfalls die Äußerung „telefonisch nicht erreichbar“ könnte laut Ansicht des Landgerichts anders zu bewerten sein. Hierauf kam es im Prozess jedoch nicht an, weil dieser Äußerung nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und der vorliegenden Anrufprotokolle zutreffend war.
3. Rechtsansprüche im Rahmen negativer Bewertungen
a. Berichtigung und Löschung
Stellt sich eine Äußerung als unwahre Tatsachenbehauptung heraus, steht dem Betroffenen gemäß § 1004 Absatz 1 S. 1 BGB analog ein Anspruch auf Beseitigung eines durch die unwahren Tatsachenbehauptung geschaffenen Zustands fortdauernder Rufbeeinträchtigung. Dieser Anspruch umfasst neben einem Berichtigungsanspruch auch ein Anspruch auf Löschung bzw. Hinwirken auf Löschung der entsprechenden Tatsachenbehauptungen.In Fällen, in denen der Betroffene in einem Bewertungssystem im Internet selbst eine für jeden Nutzer einsehbare klarstellende Erwiderung zu einem negativen Kommentar verfassen (wie z.B. bei eBay) und seine Rechte dadurch vorerst waren kann, sehen einzelne Gerichte kein Bedürfnis für vorläufigen Rechtsschutz im Rahmen einer einstweiligen Verfügung aufgrund fehlender Eilbedürftigkeit. Andere Gerichte sprechen auch in solchen Fällen ein Rechtsschutzbedürfnis zu. b. Löschung des Bewertungsprofils
Ein Anspruch auf Löschung des Nutzerprofils aus einem Bewertungsportal besteht grundsätzlich nicht. Nach mehreren aktuellen Entscheidungen gilt etwas anderes zumindest für Arztprofile bei Jameda. c. Unterlassung
Gemäß § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog besteht ein Anspruch auf Unterlassung weiterer Störungen. Der Portalbetreiber kann sich nicht auf eine Einschränkung der Verantwortlichkeit nach § TMG berufen, da diese laut Bundesgerichtshof auf Unterlassungsansprüche keine Anwendung findet.Der Portalbetreiber kann je nach Sachverhalt als unmittelbare oder mittelbare Störer in die Pflicht genommen werden. Eine Inanspruchnahme des Portalbetreibers ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofs sogar dann möglich, wenn dem Bewerteten die wahre Identität des Bewertenden bereits bekannt ist.
4. Handlungsempfehlung für BetroffeneGrundsätzlich empfiehlt sich, einschlägige Plattformen regelmäßig auf negative Bewertungen zu prüfen. Entdeckt man eine negative Bewertung, sollte möglichst eine Informationssammlung vorgenommen werden. Denn wer eine negative Bewertung behauptet, hat deren Existenz konkret darzulegen. Eine schnelle Beweissicherung ist für ein erfolgreiches Vorgehen somit unerlässlich.Es ist daher zu empfehlen,
einen Screenshot anzufertigen oder die betreffende Internetseite mit Datum und vollständigem Text der Bewertung anzufertigen,
den betreffenden Link des Beitrags aus dem Adressfenster zu kopieren und
(soweit ersichtlich) den Namen des bewertenden Nutzers und das erstellte Datum des Beitrags zu sichern.
Mit diesen Informationen kann der Beitrag ausreichend identifiziert werden. Nur bei Nachweis des konkreten Wortlautes ist es möglich, diesen juristisch bewerten zu lassen.Da die Identität des Bewerbers oftmals unbekannt ist, könne Ansprüche nicht unmittelbar gegen den sogenannten Störer durchgesetzt werden. Denn viele Bewertungspreise erlauben es, dass Bewertungen anonym oder durch Pseudonym verfasst werden, was rechtlich zulässig ist. Zudem besteht kein Auskunftsanspruch gegen den Portalbetreiber auf Nennung der Kontaktdaten des Nutzers. Es fehlt hier schlicht an einer Ermächtigungsgrundlage im Gesetz.Zielführender ist in diesen Fällen die Kontaktaufnahme mit dem Portalbetreiber. Man sollte die gesammelten Informationen mitteilen und dem Portalbetreiber zur Löschung des Beitrages/der negativen Bewertung auffordern. Viele Portale bieten bereits die Möglichkeit, negative Bewertungen bzw. Kommentare zu melden. Besteht die Möglichkeit nicht, so kann anhand des Impressum des Portale Betreibers dessen E-Mail-Adresse zur Kontaktaufnahme benutzt werden. Außerdem sollte eine Frist gesetzt werden, bis zu der die Löschung vollzogen worden ist.
Negative Bewertungen im Internet löschen – Übersicht & Tipps
In dieser Übersicht erklären wir, wie Unternehmer gegen negative Bewertungen im Internet rechtlich vorgehen können. Neben Antworten auf häufige Fragen finden Sie hier zahlreiche rechtliche Tipps, Gerichtsurteile und Praxisbeispiele. Bei Fragen unterstützen wir Sie gerne.
Inhaltsübersicht
I. Bewertungen im Internet – Entscheidungshilfe & RisikoII.
II. Rechtlicher Rahmen bei Internetbewertungen
1. Wie werden Äußerungen rechtlich beurteilt?
2. Welche Arten von Äußerungen sind rechtlich geschützt?
3. Gelten die Äußerungsrechte unbeschränkt?
4. Kann eine Firma von einer negativen Bewertung „verletzt“ werden?
5. Generell unzulässige Äußerungen
6. Generell zulässige Äußerungen
7. Was gilt bei Vermischung von Tatsachenbehauptung und Werturteil?
8. Beispiele für Gerichtsverfahren zu Bewertungen
III. Welche Rechtsansprüche bestehen gegen negative Bewertungen?
1. Berichtigung und Löschung– Kann man direkt das ganze Bewertungsprofil löschen lassen? (Update)
2. Unterlassung
IV. Wie können Betroffene vorgehen, um Bewertungen zu löschen?
1. Beweissicherung
2. Kontaktaufnahme mit dem bewertenden Nutzer
3. Kontaktaufnahme mit dem Portalbetreiber
4. Was sollte die Meldung an das Portal enthalten? (sog. „Qualifizierter Hinweis“)
5. Warum muss man eine Frist setzen?
6. Was tun, wenn die Löschaufforderung nicht erfolgreich war?
V. Kann man von einem Bewertungsportal die Wiederveröffentlichung gelöschter Bewertungen verlangen?
I. Bewertungen im Internet – Entscheidungshilfe & Risiko
Die meisten Kunden informieren sich heute über ihren Vertragspartner vorab im Internet. Das Netz gewinnt damit für die Meinungsbildung der Kunden über ein Unternehmen immer größeren Einfluss. Neben den Bewertungsrubriken auf den Seiten verschiedener Verkaufsportale wie eBay oder Amazon finden sich mittlerweile unzählige, oft branchenspezifische Bewertungsportale. Einige der beliebtesten Bewertungsportale sind:
Jameda, Sanego & Docinsider (Bewertungsportale für Ärzte)
Kununu & XING (Bewertungsportale für Arbeitgeber)
Yelp (Bewertungsportal im Bereich Unterhaltung, Geschäfte, Restaurants, u.v.m.)
Golocal (Empfehlungsportal in verschiedenen Bereichen wie Dienstleistungen, Restaurants, o.ä.)
Holidaycheck, HRS & Tripadvisor (Hotel- & Reisebewertungen)
Google (allgemeine Nutzerbewertungen, App-Bewertungen)
Eine ungerechtfertigte schlechte Bewertung im Internet und die damit einhergehende rufschädigende Wirkung kann zu erheblichen finanziellen Einbußen für den bewerteten Unternehmer führen. Das gilt insbesondere, wenn es soweit kommt, dass sich Bestandskunden abwenden oder potentielle Neukunden lieber einen Vertrag mit einem Konkurrenten abschließen.Die folgenden Erklärungen gelten grundsätzlich entsprechend auch für soziale Netzwerke wie Facebook (LG Köln, Urteil vom 30.09.2015, Az. 28 O 423/12) und Mikrobloggingdienste wie Twitter (OLG Dresden, Urteil vom 01.04.2015, Az. 4 U 1296/14). Sie gelten ebenso für unwahre Erfahrungsberichte und unrichtige Beiträge in Foren (vgl. BGH, Urteil vom 27.03.2007, Az. VI ZR 101/06), Blogs (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 25.10.2011, Az. VI ZR 93/10 – Blog-Eintrag) und sogar RSS-Feeds (vgl. BGH, Urteil vom 27.03.2012, Az. VI ZR 144/11 – RSS-Feeds).
II. Rechtlicher Rahmen bei Internetbewertungen
1. Wie werden Äußerungen rechtlich beurteilt?
Wie eine Äußerung rechtlich zu bewerten ist, hängt von vielen Faktoren ab und ist immer anhand einer Gesamtschau der konkreten Umstände im Einzelfall zu beurteilen. Unter anderem sind zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 02.04.2015, Az. 3 StR 197/14; BGH, Beschluss vom 07.02.2002, Az. 3 StR 446/01):
der genaue und vollständige Wortlaut der Äußerung
der sprachliche Kontext
die Begleitumstände
wie ein objektives Publikum die Äußerung verstehen muss
2. Welche Arten von Äußerungen sind rechtlich geschützt?Wichtig ist, den Unterschied zwischen einer Meinungsäußerung und einer Tatsachenbehauptung zu verstehen, da diese rechtlich unterschiedlich behandelt werden.Reine Meinungsäußerungen bzw. Werturteile sind vom Grundrecht auf freie Meinungsäußerung geschützt (Artikel 5 Abs. 1 GG). Alle Bewertungen fallen in diesen Bereich. Dies gilt unabhängig davon, in welcher Form sie abgegeben werden. Neben Bewertungen als Freitextkommentar stellt auch eine Bewertung mit „-“ ein Werturteil dar (vgl. OLG München, Urteil vom 28.10.2014, Az. 18 U 1022/14). Gleiches gilt für Bewertungen mit Sternchen oder Schulnoten (vgl. BGH, Urteil vom 23.06.2009, Az. VI ZR 196/08; LG München: Arztbewertung mit Schulnoten von Meinungsfreiheit gedeckt).Umstritten ist die Zulässigkeit von ohne Begründungstext verfassten Sternebewertungen, wenn unklar bleibt, ob der Bewertende Kunde des Unternehmen war bzw. ist. Das Landgericht Augsburg stufte eine solche unkommentierte 1-Sterne-Bewertung eines Arztes als erlaubte Meinungsäußerung ein. Mit der Vergabe des Sterns sei keine Aussage darüber getroffen worden, welche konkreten Leistungen oder Personen der Klinik gemeint sind. Deshalb sei die Bewertung auch nicht so zu verstehen, dass der Nutzer die Bewertung als Patient des Klägers oder seiner Klinik abgegeben habe (LG Augsburg, Urteil vom 17.07.2017, Az. 022 O 560/17 in Bezug auf 1-Sterne-Bewertung bei Google Maps). Die herrschende Meinung vertritt die genau entgegengesetzte Auffassung. Beispielsweise folgerte das Landgericht Hamburg aus einer unkommentierten 1-Sterne-Bewertung, dass der Bewertende kein Kunde des bewerteten Unternehmen war. Auf dieser Grundlage wurde Google als verklagte Bewertungsplattform verurteilt, die negative Bewertung zu löschen. Google hatte zuvor auf eine Beanstandung des bewerteten Unternehmens nicht substantiell reagiert. Insbesondere hatte es keine Nachforschungen angestellt, ob der Bewertende Kunde des Unternehmens war oder nicht (LG Hamburg, Urteil vom 12.01.2018, Az. 324 O 63/17). Auf Klage eines Arztes wurde Google in einem weiteren Fall vom Landgericht Lübeck zur Unterlassung und Löschung einer 1-Sterne-Bewertung bei Google Maps verurteilt. Auch hier hatte Google die Löschung der Bewertung zuvor außergerichtlich abgelehnt. Das Gericht sah in der schlechten Bewertung jedoch eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Arztes, weil die Identität des Bewertenden offen blieb (LG Lübeck, Urteil 13.06.2018, Az. 9 O 59/17). So verfuhr auch das Landgericht Frankfurt in einem Prozess gegen Google, in dem die klagende Ärztin nicht nur einen Behandlungstermin bestritten hatte, sondern auch, jemals mit den Bewertenden „beruflich in Kontakt getreten“ zu sein (LG Frankfurt, Urteil vom 13.09.2018, Az. 2-03 O 123-17). Wegen nicht nachgewiesenem Kontakt zum Praxispersonal verurteilte das Landgericht Meiningen die Bewertungsplattform Jameda zur Unterlassung (LG Meiningen, Urteil vom 15.05.2019, Az. (117) 2 O 274/19).Sterne Bewertung MeinungsäußerungEbenfalls geschützt sind wahre Tatsachenbehauptungen, die dazu geeignet sind, zur Meinungsbildung beizutragen und einem Werturteil als Grundlage dienen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.10.1991, 1 BvR 1555/88; BVerfG, Beschluss vom 13.04.1994, 1 BvR 23/94; st. Rspr). Falsche Tatsachenbehauptungen sind dagegen nicht durch Art. 5 GG geschützt (vgl. AG München zu Verkäuferbewertung bei eBay; BVerfG, Beschluss vom 03.06.1980, Az. 1 BvR 797/78).Tipp: Vertiefende Informationen finden Sie in unseren FAQ zur Abgrenzung von Meinungsäußerungen und Tatsachenbehauptungen.
3. Gelten die Äußerungsrechte unbeschränkt?
Nein. Ansonsten könnte man über jede Person alles im Internet behaupten, ohne dass sich der Betroffene dagegen wehren kann. Deswegen gilt aus Sicht des Betroffenen:„Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt“ (BGH, Urteil vom 01.03.2016, Az. VI ZR 34/15 – jameda.de II).Es muss also stets überprüft werden, welche Interessen im jeweiligen Einzelfall stärker wiegen. Bei Internetbewertungen stehen sich typischerweise die folgenden beiden Rechtspositionen gegenüber, die gegeneinander abzuwägen sind:das Recht des von der Äußerung Betroffenen auf Schutz seiner Persönlichkeit sowie Achtung seines Privatlebens (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, ggf. i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG; Art. 8 EMRK) sowiedas Recht des Nutzers und des Betreibers auf Meinungs- und Medienfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 10 EMRK)
4. Kann eine Firma von einer negativen Bewertung „verletzt“ werden?
Ja. Ein Wirtschaftsunternehmen ist eine inländische juristische Personen. Damit kann es sich auf den durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleisteten sozialen Geltungsanspruch berufen, wenn die Äußerung dazu geeignet ist, das Ansehen des Unternehmens in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen (vgl. BGH, Urteil vom 28.07.2015, Az. VI ZR 340/14). Unter Umständen kann auch eine Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb vorliegen (Art. 12 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG). Dies ist möglich, wenn die wirtschaftliche Stellung des Unternehmens„durch inhaltlich unrichtige Informationen oder Wertungen, die auf sachfremden Erwägungen beruhen oder herabsetzend formuliert sind, geschwächt wird und andere Marktteilnehmer deshalb von Geschäften mit ihm abgehalten werden.“ (BGH, Urteil vom 16.12.2014, Az. VI ZR 39/14 – Unternehmenskritik)
5. Generell unzulässige Äußerungen
Generell unzulässig und damit unproblematisch angreifbar sind Äußerungen, wenn sie, ohne sich tatsächlich mit der Sache auseinanderzusetzen, entwedereine Formalbeleidigung odereine unsachliche Schmähkritik odereinen Angriff auf die Menschenwürdeenthalten (vgl. BGH, Urteil vom 05.12.2006, Az. VI ZR 45/05 – Terroristentochter). Die Interessen der Betroffenen müssen hier ausnahmsweise nicht gegeneinander abgewogen werden. Aufgrund des fehlenden Sachbezugs steht die bloße Ehrbeeinträchtigung des Betroffenen im Vordergrund und gerade nicht die Bewertung einer Leistung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.06.2016, Az. 1 BvR 2646/15).Tipp: Vertiefende Informationen zu stets unzulässigen Meinungsäußerungen finden Sie in unseren FAQ zur Abgrenzung von Meinungsäußerungen und Tatsachenbehauptungen.
6. Generell zulässige Äußerungen
Alle anderen Äußerungen, die sich im Rahmen der Sozialsphäre bewegen, sind generell zulässig. Sie können nur dann erfolgreich angegriffen werden, wenn sie sich z.B. durch Stigmatisierung oder Prangerwirkung schwerwiegend auf das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen auswirken und der so zu befürchtende Schaden „außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht“ (BVerfG, Urteil vom 29.06.2016, Az. 1 BvR 3487/14). Das liegt bei Äußerungen, die die berufliche Tätigkeit betreffen daran, dass diese auf eine breitere Öffentlichkeit wirkt. Denn jeder, der sich am Wirtschaftsleben beteiligt, setzt sich zwangsläufig der Kritik an seinen Leistungen aus (für Lehrerbewertungen: BGH, Urteil vom 23.06.2009, Az. VI ZR 196/08).Es muss außerdem ein öffentliches Informationsinteresse an einer solchen Bewertung für die Meinungsbildung potentieller Kunden und Geschäftspartner bestehen (vgl. BGH, Urteil vom 21.11.2006, Az. VI ZR 259/05). Eine Namensnennung ist dabei notwendiger Bestandteil, da die Information ohne Identifikation nutzlos wäre.Wichtig: Das öffentliche Interesse verliert nicht dadurch an Gewicht, dass die Bewertung erst einige Jahre später verfasst oder veröffentlicht wird (hier: drei Jahre), solange die geschilderten Ereignisse so dargestellt werden, dass sie sich zeitlich zuordnen lassen (vgl. BVerfG, Urteil vom 29.06.2016, Az. 1 BvR 3487/14).Beispiele: Ein Unternehmer/Firmeninhaber kann nicht gegen jede ihm unliebsame Berichterstattung oder Bewertung vorgehen. Eine harsche Kritik muss er sich als Marktteilnehmer grundsätzlich gefallen lassen, auch wenn sie polemisch, ungerecht oder überzogen ist (vgl. BGH, Urteil vom 29.01.2002, Az. VI ZR 20/01; OLG Stuttgart, Urteil vom 11.09.2013, Az. 4 U 88/13). Gleiches gilt für die „Bewertung der gewerblichen Leistung eines Wirtschaftsunternehmens“ (BGH, Urteil vom 16.12.2014, Az. VI ZR 39/14) oder die Beurteilung der Zahlungsmoral (vgl. BVerfG, Urteil vom 29.06.2016, Az. 1 BvR 3487/14).
7. Was gilt bei Vermischung von Tatsachenbehauptung und Werturteil?Ein Werturteil, das auf einer unrichtigen Tatsachenbehauptung basiert, kann und sollte angegriffen werden. Eine derartige Konstellation liegt beispielsweise dann vor, wenn der Bewertende gar kein Patient des bewerteten Arztes ist oder war und damit der behauptete Behandlungskontakt nicht bestanden hat (vgl. BGH, Urteil vom 01.03.2016, Az. VI ZR 34/15), wenn er entgegen seiner Behauptung nie Arbeitnehmer des von ihm bewerteten Arbeitgebers war oder schlicht nie Kunde des Hotels.Beziehen sich das Werturteil und die unwahre Tatsachenbehauptung untrennbar aufeinander, spiegelt sich also die falsche Tatsachenbehauptung in dem Werturteil (z.B. bei Vergabe der Anzahl an Sternchen und begleitendem Kommentar), so sind Tatsachenbehauptung und Werturteil gemeinsam angreifbar (vgl. OLG München, Urteil vom 28.10.2014, Az. 18 U 1022/14).Unrichtige Tatsachenbehauptungen eignen sich nämlich nicht für die öffentliche Meinungsbildung und entziehen einer darauf fußenden Meinungsäußerung jegliche Grundlage (vgl. BGH, Urteil vom 01.03.2016, Az. VI ZR 34/15; auch OLG München, Urteil vom 28.10.2014, Az. 18 U 1022/14 unter Bezug auf BVerfG, Urteil vom 22.06.1982, Az. 1 BvR 1376/79). Sie müssen nicht hingenommen werden.Eine kleine Einschränkung ist zu beachten: Die beanstandete Tatsache darf nicht komplett unbedeutend sein und muss den Betroffenen in seinem sozialen Geltungsanspruch berühren (vgl. BGH, Urteil vom 15.11.2005, Az. VI ZR 274/04). Kontrollfragen: 1. Ist die Behauptung der falschen Tatsache x schlimmer als die Behauptung der wahren Tatsache y? 2. Verdreht oder verfälscht sich dadurch der Aussagegehalt?Derjenige, der eine Tatsache behauptet, hat diese im Streitfall übrigens zu belegen (vgl. LG Berlin, Urteil vom 21.11.2014, Az. 27 O 423/13). Hier lassen sich leicht Angriffspunkte finden.
8. Beispiele für Gerichtsverfahren zu Bewertungen
a. LG Frankfurt, Beschluss vom 18.10.2018, Az. 2-03 O 375/18„Super Service! Keine Reaktion, Drohung, Beleidigung und Erpressung! Da wir nicht bereit sind unsere Bewertung zu löschen müssen wir jetzt anderweitig bestellen!!! Unsere Bestellung bearbeitet … nicht! 07.09.18“Die Äußerung „Keine Reaktion“ war hier eine zulässige Tatsachenbehauptung, weil der Verkäufer weder per Telefon erreichbar war bzw. Rückrufe nicht erfolgten noch auf mehrere E-Mails reagiert hatte. Die Begriffe „Drohung“ und „Erpressung“ wurden als erlaubte Meinungsäußerungen mit Tatsachenkern eingestuft, weil ein Mitarbeiter der Händlerin bei der Käuferin angerufen und geäußert hatte, dass die sofortige Löschung der schlechten Bewertung erwartet und die Ware nur verschickt werde, wenn die Käuferin die Bewertung herausnehme. Bei der Äußerung „Beleidigung“ handelte es sich um eine zulässige Meinungsäußerung, weil der Händler die Käuferin in einem außergerichtlichen Schreiben als „bösartigen Menschen mit sehr fraglichen Schädigungsabsichten“, „unverschämt“ und „unerfreuliche Menschen“ bezeichnet hatte (LG Frankfurt, Beschluss vom 18.10.2018, Az. 2-03 O 375/18, Streitwert: 7.000 Euro).b. LG Hamburg, Urteil vom 03.05.2019, Az. 324 O 358/18Die nachfolgenden Äußerungen im Rahmen einer Bewertung wurden vom Landgericht Hamburg als Meinungsäußerungen eingestuft, da sie sich nicht an den Kriterien wahr oder unwahr messen lassen und keine Schmähkritik vorliege:„Als Geschäftspartner ist absolute Vorsicht zu verwalten. Mies und hinterlistig. Versteckt sich hinter seinem Telefon. Mit dieser Firma Geschäfte zu machen rate ich ab.“„Mieser und hinterlistiger Geschäftspartner, den man nicht vertrauen kann. Telefonisch nicht erreichbar. Hier rate ich dringend ab Geschäfte zu machen Äußerst bedenkliches Geschäftsgebaren.“sowie„Diese Firma kann ich nicht empfehlen.“Allenfalls für die Äußerung „Telefonisch nicht erreichbar“ könnte laut LG Hamburg etwas anderes gelten. Hierauf kam es im Prozess aber nicht an, weil diese Äußerung nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme (Anrufprotokolle) wahr war. Der Streitwert wurde auf 10.000 Euro festgesetzt (LG Hamburg, Urteil vom 03.05.2019, Az. 324 O 358/18).
III. Welche Rechtsansprüche bestehen gegen negative Bewertungen?
Ansprüche gegen den Portalbetreiber oder den Bewertenden können sich unter anderem aus § 823 Abs. 1 BGB, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 185 ff. StGB oder § 824 BGB ergeben. Die konkrete Beurteilung hängt vom Einzelfall ab. § 824 BGB lässt sich zum Beispiel nur auf Tatsachen anwenden, nicht aber auf Meinungsäußerungen.Bewertet ein Unternehmen seine Wettbewerber negativ, z.B. mit einem Stern, kommt eine unzulässige Herabsetzung nach § 4 Nr. 1 UWG in Betracht. Ist der geschäftliche Zweck der Bewertung nicht erkennbar, liegt zusätzlich ein Verstoß gegen § 5a Abs. 6 UWG vor (vgl. LG Köln, Beschluss vom 09.07.2018, Az. 84 O 164/18).Die wichtigsten Ansprüche auf Berichtigung, Löschung & Unterlassung werden nachfolgend erörtert und zu beachtende Unterschiede beim Vorgehen gegen Portalbetreiber herausgestellt. Weitere Informationen und Erläuterungen finden Sie in unserer Übersicht zu Ansprüchen bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen.
1. Berichtigung und Löschung
Gemäß § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB analog besteht ein Anspruch auf Beseitigung eines durch die unwahren Tatsachenbehauptungen geschaffenen Zustands fortdauernder Rufbeeinträchtigung (vgl. BGH, Urteil vom 28.07.2015, Az. VI ZR 340/14). Dieser Anspruch umfasst neben einem Berichtigungsanspruch (vgl. BGH, Urteil vom 18.11.2014, Az. VI ZR 76/14 – Chefjustiziar) auch einen Anspruch auf Löschung bzw. Hinwirken auf Löschung der entsprechenden Tatsachenbehauptungen (vgl. BGH, Urteil vom 28.07.2015, Az. VI ZR 340/14; BGH, Urteil vom 18.09.2014, Az. I ZR 76/13 – CT-Paradies).Achtung: Kann der Betroffene selbst in einem Bewertungssystem im Internet eine für jeden Nutzer einsehbare klarstellende Erwiderung zu dem negativen Kommentar verfassen (wie z.B. bei eBay) und seine Rechte dadurch vorerst wahren, besteht in der Regel kein Bedürfnis mehr für vorläufigen Rechtsschutz per einstweiliger Verfügung (vgl. OLG Köln, Urteil vom 08.03.2012, Az. I-15 U 193/11; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.03.2011, Az. I-15 W 14/11).Andere Gerichte erlauben einstweilige Verfügungen ohne Einschränkungen (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 13.11.2018, Az. 3 W 2064/18). Voraussetzung ist aber wie allen einstweilen Verfügungen, dass die Sache eilbedürftig ist. Wartet der Betroffene mit der Einreichung des Antrags auf Erlass der einstweiligen Verfügung länger als einen Monat seit Kenntnis der Bewertung ab, weisen viele Gerichte den Verfügungsantrag zurück und verweisen auf das normale Klageverfahren.– Kann man direkt das ganze Bewertungsprofil löschen lassen? (Update)Ein Anspruch auf Löschung des Profils aus einem Bewertungsportal besteht grundsätzlich nicht. Etwas anderes gilt zumindest aktuell für Arztprofile bei Jameda, nachdem mehrere Urteile ergingen, die einen Löschungsanspruch bejahten (siehe unten).Zur Rechtslage vor Geltung der DSGVO entschied der BGH, dass personenbezogene Daten wie z.B. Name und Anschrift eines Arztes eigentlich nach § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BDSG zu löschen waren, wenn ihre Speicherung nach § 4 Abs. 1 BDSG unzulässig war und der Betroffene nicht eingewilligt hatte. Im Fall von Bewertungsportalen bewegte sich die Nutzung der Daten jedoch grundsätzlich in dem von § 29 BDSG erlaubten Rahmen. Das Recht der Bewertungsplattformen auf Kommunikationsfreiheit überwog dabei gegenüber dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen (vgl. BGH, Urteil vom 23.09.2014, Az. VI ZR 358/13 – Ärztebewertung II; BGH, Urteil vom 23.06.2009, Az. VI ZR 196/08). Auch in Bezug auf Unternehmen fiel die Abwägung zu Lasten des bewerteten Unternehmens und zu Gunsten der Kommunikationsfreiheit aus (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 18.01.2012, Az. 5 U 51/11). So musste Ärzte z.B. ein Praxisprofil auf dem Ärztebewertungsportal Jameda einschließlich der dortigen Bewertungen grundsätzlich dulden.Abweichend davon bejahten mehrere Gerichte unter Geltung der DSGVO zumindest in Bezug auf die Ärztebewertungsplattform Jameda einen Anspruch der klagenden Ärzte auf Löschung ihrer Profile (LG Bonn, Urteil vom 28.03.2019, Az. 18 O 143/18; LG Bonn, Urteil vom 29.03.2019, Az. 9 O 157/18; LG Wuppertal, Urteil von 29.03.2019, Az. 17 O 178/18; Hinweis: Jameda hat angeblich in allen Verfahren Berufung eingelegt).Jameda habe seine Stellung als „neutraler Informationsvermittler“ verlassen. Juristischer Anknüpfungspunkt ist nicht die Nutzung allgemein zugänglicher Daten der Ärzte, um damit Profile anzulegen und Bewertungen zu ermöglichen, was für sich genommen zulässig ist. Kritikpunkt ist die Instrumentalisierung dieser Daten, um Ärzte zum Abschluss kostenpflichtiger Premiumpakete zu drängen. Das Landgericht Bonn (Az. 18 O 143/18) bringt die psychologischen Wirkmechanismen zu Lasten von Ärzten treffend auf den Punkt:„Es ist offenkundig, dass sich aufgrund der mit einer solchen Gestaltung verbundenen psychologischen Wirkmechanismen Besucher des Portals von solchen Profilseiten auf einer – vorwiegend unbewussten – Ebene eher angesprochen fühlen werden als von den „Basis-Profilen“, die – im Gegensatz zu den Profilen zahlender Ärzte – z.B. nur über eine g